Veranstaltungstechnik meets WS2812B

Frau mit schwarzem Pullover mit blauer Beleuchtung
Einsatz beim Kulturherbst 2022 – Schlachthof
Frau mit Leuchtpullover am Lichtpult auf einer Bühne
Erster Einsatz beim „Rave ohne Grund“ – Ütteroda

Idee

Als Makerin und gleichzeitig Lichttechnikerin stellte sich mir die Frage: Wie kann ich diese beiden Leidenschaften miteinander verbinden? Schnell war klar: Es braucht etwas, das leuchtet! Doch was macht man da am besten?

Anforderungen

Damit das Endprodukt oft von mir eingesetzt werden kann, sollte es möglichst „universell“ und nicht zu sehr auf die Veranstaltungstechnik zugeschnitten sein. Gleichzeitig darf es zu keinem Zeitpunkt meine Arbeit auf Veranstaltungen negativ beeinflussen.

Daraus ergaben sich folgende Anforderungen:

  • Robustheit
  • standalone-Betrieb
  • möglichst kabellos
  • Flexibilität
  • Sicherheit

Umsetzung

Nach Analyse der Anforderungen war klar:
Es sollte ein Kleidungsstück werden. Die Wahl fiel hierbei auf einen Pullover, da dieser schnell an/ausgezogen ist sowie eine Kapuze zur Unterbringung der benötigten Technik besitzt. Ebenso stört dieser meine Arbeit auch während des Tragens nicht.

Die Wahl der Leuchtmittel fiel schnell auf die allseits beliebten WS2812B, denn sie sind günstig und genießen einen breiten Support für jeden erdenklichen Microcontroller.

Zu guter Letzt benötigte es noch eine Steuerung sowie eine Stromversorgung. Hier kommt eine handelsübliche USB-Powerbank sowie ein Wemos D1mini zum Einsatz.

Das Thema Sicherheit war mir bei der Umsetzung des Projektes durch die Körpernähe sowie die Verwendung im professionellen Umfeld besonders wichtig. Aus diesem Grund wurde alles recht modular gehalten und kann im Notfall schnell getrennt werden. Ebenso enthalten handelsübliche Powerbanks in der Regel eingebaute Schutzschaltungen, welche mich im Zweifel zusätzlich vor Unfällen bewahren – so die Hoffnung.

Verwendetes Material (erster Prototyp)

  • Wemos D1mini
  • 300-500 Ohm Vorwiderstand (für die Datenleitung der WS2812B)
  • 5m WS2812B Lichterkette
  • Pullover
  • Lochrasterplatine
  • USB-Kabel
  • JST 3 Steckverbinder
  • Lötzinn
  • Lötkolben
  • Kabel
  • Isolierband
  • Schrumpfschlauch
  • Sicherheitsnadeln

Der zusammengebaute Zustand

verlötete Platine in Plastik-Schachtel, verbunden mit Lichterkette an Powerbank
der komplette Zusammenbau (ohne Pulli)
zwei verlötete Platinen auf einem Schreibtisch - beschriftet mit P2, P4
Nahaufnahme der Platine(n)

Alle guten Dinge sind zwei…oder so ähnlich. Weils soviel Spaß gemacht hat, habe ich direkt zwei (fast) identische Platinen zusammengelötet. Beide bestehen aus einem Wemos, dem Vorwiderstand für die Datenleitung der LEDs sowie einem JST 3 Steckverbinder, welcher die Verbindung zu den LEDs herstellt. Strom bekommt das ganze von den LEDs über die Steckverbindung. Die Micro-USB-Buchse des Wemos‘ wurde einzig zur Programmierung freigehalten. Die Beschriftung P2/P4 beschreibt den verwendeten Datenpin des Wemos‘. Zur Besserung meines Sicherheitsgefühls (und als leichter Wasserschutz) wurde reichlich Isolierband sowie Schrumpfschlauch verwendet.

Die verwendete Lichterkette wurde für die Stromversorgung mit einem handelsüblichen USB-Kabel verlötet. Dieses wird mit der Powerbank verbunden und liefert damit sowohl den LEDs, als auch dem Wemos den für den Betrieb benötigten Strom.

Die Lichterkette wird mit Sicherheitsnadeln am Pullover befestigt. Dadurch verrutscht sie nicht während der Verwendung und stellt keine Ablenkung auf Veranstaltung dar.

Das Betriebssetup

Da die Verwendung des Leuchtpullovers möglichst „autark“ erfolgen sollte, habe ich direkt auf eine Verbindung per WLAN gesetzt.
Bei Verlust der Netzwerkverbindung behalten die LEDs ihre Einstellungen (Helligkeit/Farbe) und der Microcontroller versucht automatisch sich erneut einzuloggen.

Auf Veranstaltung

Benötigtes Material:

  • WLAN-Router
  • Netzwerkkabel
  • (bei Bedarf: Netzwerkswitch)

Im Betrieb auf Veranstaltungen ist zunächst ein Netzwerk aufzubauen. Hierzu wird das bestehende Netzwerk des Lichtpultes um einen WLAN-Router (für die kabellose Verbindung) erweitert.

Nach erfolgreichem Einloggen im Netzwerk startet der Wemos anschließend automatisch das Mitlesen des vom Lichtpult ausgegebenen Protokolls. Dieses beinhaltet für jeden Scheinwerfer die aktuellen Einstellungen (mehr Infos zu den verwendeten Protollen auf der Wikipedia-Seite zu DMX & der Artistic License Integration-Seite zu sACN).
Im Vorfeld jeder Veranstaltung wird der Wemos auf die DMX-Adressen eingestellt, auf die er hören soll.
Während der Veranstaltung werden anschließend durchgehend die entsprechenden Adressen im Protokoll ausgelesen und in Echtzeit auf den LEDs abgebildet.
Aufgrund der Länge der verwendeten Lichterkette habe ich diese in mehrere Sektionen aufgeteilt. Um für mehr „Aktion“ zu sorgen, bekommt jede Sektion die Farb- & Helligkeitswerte eines anderen Scheinwerfers.

Alltag

Benötigtes Material:

  • mobiler Hotspot per Handy

Im „Alltagsbetrieb“ startet der Wemos automatisch einen langsamen Regenbogen-Farbwechsel.
Sobald er eine Netzwerkverbindung in Form eines mobilen Hotspots bekommt, öffnet er automatisch einen kleinen Webserver. Über diesen können Einstellungen wie Geschwindigkeit oder Helligkeit eingestellt werden.

Warum kein WLED?

Wie einige von euch vielleicht wissen, gibt es für die Ansteuerung von WS28xx die beliebte Anwendung Namens WLED mit allerlei Funktionalitäten. Darunter auch das Mitlesen von besagtem Protokoll.
Leider ist die Einstellung des Mitlesens per WLED nicht optimal für meinen Verwendungszweck, da mein Leuchtpullover bei jedem beliebigen Scheinwerfer mitlesen können soll. Darunter auch MovingHeads (bewegliche Scheinwerfer), bei denen die Einstellungen für Helligkeits- und Farbwerte oft nicht aufeinanderfolgend sind. Diese „Unterbrechungen“ in den Adressen werden im WLED (Stand 2022) leider nicht unterstützt, da sie (zugegebenermaßen) eine überaus nischige Anforderung sind.

Die Verwendung von WLED im „Alltagsbetrieb“ ist allerdings eine gute Idee und deutlich einfacher als die Verwendung eines eigenen Programms.

Erster Testlauf

Frau sitzt auf Wiese mit schwarzem Pulli, welcher eine bunt leuchtende Lichterkette trägt. Auf ihrem Schoß ein Laptop. Auf der Wiese eine weitere Lichterkette und ein weiterer Laptop.
der erste Trageversuch in der Öffentlichkeit

Für den ersten Outdoor-Testlauf trieb es mich ans allseits beliebte Elbufer in Dresden. Hier verbrachte ich einen entspannten Abend mit Freunden und überprüfte bei einem ausgiebigen Spaziergang die Tragbarkeit und Agilität des Pullovers.

Der Abend zeigte, dass mich der Pullover nicht in der Bewegung einschränkt (Yay!). Ebenso ist die Unterbringung der Steuerung & Stromversorgung in der Kapuze sehr simpel und für den Dauereinsatz geeignet. Eine Verkabelung durch mich selbst (ohne Hilfe Dritter) ist durch die „modulare“ Bauweise (nach kurzer Übungsphase) in relativ kurzer Zeit möglich. Durch die Dimensionierung der Powerbank ist der durchgehende Betrieb über längere Zeit hinweg ebenfalls kein Problem.

Fazit: Bereit für die erste Veranstaltung!

Erste Veranstaltung

Livebetrieb während des „Rave ohne Grund“

Große Aufregung im Vorfeld der ersten Veranstaltung! Wird alles funktionieren?

Mit einem Koffer voll Backup-Hardware, zwei Laptops und dem Pullover gewappnet ging es für mich zum „Rave ohne Grund“. Nach erfolgreichem Aufbau des Lichtpultes nutzte ich das verbleibende Zeitfenster bis zum Veranstaltungsbeginn zur finalen Einrichtung meines Pullovers. Das benötigte WLAN-Netzwerk stellte ich in Form eines Laptops bereit, welcher einen Access-Point für den Wemos eröffnete. Der zweite Laptop diente als Überwachungsgerät sowie für die finalen Netzwerkeinstellungen des Microcontrollers.

Und dann war es soweit:
Veranstaltungsbeginn.

Das System funktioniert! In Echtzeit!
Den ganzen Abend über las der Wemos die Werte von sechs der in der Bühne verbauten MovingHeads mit und bildete sie (fast) in Echtzeit korrekt auf mir ab.

Einziges Problem:
Mit wachsender Größe des Publikums stieg die Latenz (Reaktionszeit) des Systems an. Dies deutete auf eine Überlastung des von mir verwendeten 2,4GHz Frequenzbandes hin.
Lösung: Ein stärkerer Router musste her!

Das Fazit dieses Abends war jedoch eindeutig:
Es funktioniert, stört nicht bei der Arbeit und das Tragen bereitet einen Haufen Freude sowohl bei mir, als auch beim Publikum sowie den Veranstaltern!

Verbesserungen

Während der Einsätze auf mehreren Veranstaltungen sind folgende Verbesserungsideen aufgetaucht:

  • stärkerer Router
  • automatisches Durchsuchen des Netzwerkes nach dem verwendeten Protokoll
  • eigenes passendes Gehäuse
  • Display
  • Knöpfe für Einstellungen am Gerät
3D-gedrucktes Gehäuse mit Display. Darunter 4 Knöpfe. Daran JST3-Stecker sowie USB-C Kabel. Im Hintergrund grüne LEDs
die neue Platine im ersten Prototyp des neuen Gehäuses
Funktionstest der neuen Platine

Mit der Verwendung eines stärkeren Routers auf allen folgenden Veranstaltungen konnte ich die Latenz auch über „große“ (0m-100m) Entfernungen hinweg auf ein nicht merkbares Level senken.

Das Einstellen des benötigten Adressbereichs erforderte lange Zeit das Mitführen eines Laptops auf jede Veranstaltung, da die Einstellung immer erst vor Ort erfolgen konnte. Durch Änderungen am Programmcode konnte dieser Umstand gelöst werden.

Da damit theoretisch kein Laptop mehr vor Ort benötigt wird, wollte ich ebenso das Einstellen der mitzuhörenden Adressen direkt am Gerät vornehmen können. Dafür benötigte es schlussendlich eine neue Platine. Diese bekam ein Display, vier Knöpfe und ein erstes maßgefertigtes 3D-gedrucktes Gehäuse.

Für noch mehr Flexibilität in der Wahl der Lichterkette habe ich in diesem Zuge die Platine mit einem USB-C-Anschluss versehen, welcher nun den Wemos und die LEDs direkt bestromt. Dadurch entfällt das Verlöten der Lichterkette mit einem USB-Kabel und jede beliebige WS2812B-Lichterkette kann nun per JST-3-Stecker verbunden werden.

Damit ist das Projekt von einer kleinen Spielerei zu einem voll funktionstüchtigen kabellosen (!) Scheinwerfer herangewachsen und wird hoffentlich noch vielen weiteren Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Für die Zukunft sind noch mehr Erleichterungen in der Nutzung des Systems sowie die finale Anfertigung eines Gehäuses geplant.

Schlusswort

Vielen Dank für das Lesen bis hierher.
Ich hoffe, euch hat dieser kleine Ausflug in die „Geheimnisse“ hinter meinem Leuchtpulli gefallen! Für weitere tiefergehende Fragen stehe ich gerne jederzeit offen. Schreibt dazu gerne einen Kommentar hier oder direkt auf Discord 🙂

Zum Schluss möchte ich an dieser Stelle allen meinen Mithelfern an diesem Projekt danken!
Ganz besonders Oli für die Unterstützung in der technischen Umsetzung, Fugi für die tatkräftige Mithilfe bei meinen mehrfachen Outdoortests sowie Matthias für die Konzipierung und den Druck des Gehäuses.
Ebenso DJJ-Events sowie dem Eisenacher Kulturherbst für die Möglichkeit den Pullover auf realen Veranstaltungen zu verwenden.
Danke! – Kath

Ein Kommentar

  1. Mega cooles Projekt! Ist auch spannend die Entwicklung von dem Ganzen zu verfolgen 😀 Das Resultat war die Mühe definitiv wert! Oft merkt man auch gar nicht die Komplexität hinter solch „simpel erscheinenden“ Sachen wie einem Leuchtpulli und dieser Artikel bringt hier gut das Licht ins Dunkeln (;D). Ich hätte z.B. im Vorneherein auch nicht damit gerechnet, dass das 2,4GHz Frequenzband überlastet sein könnte und die Kommunikation beeinträchtigen würde. Cooles Teil 😀

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